„Für meine Schülerinnen und Schüler war es äußerst motivierend zu sehen, wie aus ihren eigenen Ideen und Visualisierungen am Tablet ein echtes Elektrospeicherfahrzeug wird.“
Ronny Schubert, Lehrer der Gemeinschaftsschule Oskar Linke Magdeburg
Das Elektrospeicherfahrzeug-Rennen
Beschreibung der Unterrichtsidee
Das Verbrennen fossiler Energien setzt große Mengen an Treibhausgasen frei und ist hauptverantwortlich für die globale Erderwärmung. Um den Klimawandel zu stoppen, hat die EU beschlossen, Kraftfahrzeuge mit „Verbrennern“ ab dem Jahr 2035 nicht mehr zuzulassen. Als Alternative sollen mehr Elektrofahrzeuge gebaut werden. Ingenieure stellt das vor neue Herausforderungen. Sie müssen bei der Planung der Autos und Infrastruktur umdenken und neue Lösungen finden.
Ein zentrales Problem, welches im Technikunterricht der Gemeinschaftsschule Oskar Linke in Magdeburg aufgegriffen wurde, besteht in der noch eher geringen Reichweite der Autos. Dieser großen Herausforderung haben sich die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b modellhaft im Rahmen einer Projektarbeit angenommen und ein eigenes Elektrospeicherfahrzeug konstruiert, das eine Strecke von 9 Metern in möglichst kurzer Zeit zurücklegen sollte. Dazu arbeiteten sie paarweise in Zweierteams zusammen. Im Mittelpunkt des Unterrichts stand neben der Planung und Fertigung des Autos auch die technische Optimierung, wozu ihnen verschiedene Motoren, Räder und Zahnräder zur Verfügung standen. Nach einem halben Schuljahr der Planung und Konstruktion, des Tüftelns, Ausprobierens und Optimierens, präsentierten die Teams stolz ihre selbst entwickelten Autos der Klasse und traten in einem Wettrennen gegeneinander an.
Einsatz digitaler Unterrichtsmittel
Für die Organisation, Planung und Durchführung des Projekts konnten die Schülerinnen und Schüler während des gesamten Technikunterrichts auf ihr Galaxy Tab S6 Lite zurückgreifen. Das Tablet bietet vielfältige Möglichkeiten sowohl bei der Bearbeitung von Unterrichtsmaterialien als auch bei der eigenen Konstruktion und Optimierung des Elektrospeicherfahrzeugs.
• Der Arbeitsauftrag und verschiedene Unterrichtsmaterialien (Arbeitsblätter, technische Zeichnungen, Erklärvideos, etc.) wurden über die Lernplattform Moodle bereitgestellt.
• Mit der Kamera des Tablets sollten Bauteile fotografiert und der Konstruktionsfortschritt dokumentiert werden. Für die Foto- und Projektdokumentation sollten sich die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Tablet eine eigene sinnvolle Ordnerstruktur überlegen.
• Mit der Samsung Notes App konnten die Schülerinnen und Schüler Skizzen und Konstruktionspläne ihrer Autos anfertigen und die verschiedenen Bauteile mit dem S Pen beschriften.
• In Samsung Notes wurde auch der Konstruktionsfortschritt in Form eines Projekttagebuchs dokumentiert, indem die Bilder aus der Fotodokumentation integriert, weiterverarbeitet und mit dem S Pen beschriftet wurden.
• Über die integrierte Kamera-App sollten zusätzlich Testfahrten dokumentiert werden, um die Fahrten detailliert für die weitere Optimierung analysieren zu können.
• Für die abschließende Vorstellung ihrer Fahrzeuge in der Klasse nutzten die Schülerinnen und Schüler entsprechende Präsentationssoftware (z.B. Collabora Office Impress)
Umsetzung
Das Projekt fand im Technikunterricht über ein halbes Schuljahr jeweils in Doppelstunden statt. Da die technischen Grundlagen und die Konstruktion recht anspruchsvoll sind, sollten die Schülerinnen und Schüler jeweils zu zweit in einem „Entwicklerteam“ zusammenarbeiten. Das half ihnen nicht nur eigenständig Probleme zu lösen, sondern war auch im Hinblick auf Ansporn und Motivation förderlich, da sie am Ende mit ihren Team-Autos gegeneinander antreten sollten. Für gleiche Wettbewerbsbedingungen wurde die Energiequelle direkt im Arbeitsauftrag zu Beginn vorgegeben: „Entwickle, fertige, teste und optimiere ein Elektrospeicherfahrzeug, das eine Strecke von 9m in möglichst kurzer Zeit zurücklegen kann. Berücksichtige, dass als Energiequelle lediglich ein Kondensator (2,7V; 10F) zum Einsatz kommen darf.“
Die physikalisch-technischen Grundlagen, aber auch Hinweise zum Materialeinsatz und zur Konstruktion, wurden während des gesamten Schulhalbjahrs behandelt. So wurden die Schülerinnen und Schüler in den Praxisphasen, an denen sie an ihren Autos weiterarbeiten konnten, durch verschiedene Arbeitsblätter – z.B. zu den Schaltzeichen, der Funktionsweise von Elektromotoren und Kondensatoren, der Berechnung der theoretisch möglichen Bestzeit, etc. – fachlich angeleitet und unterstützt. Ein Arbeitsablaufplan mit zentralen Meilensteinen half ihnen zusätzlich die Fertigung ihrer Fahrzeuge zu planen. Dabei sollte es nicht um eine möglichst „reibungslose Konstruktion“ gehen – ganz im Gegenteil. Für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler war es zentral, dass sie die Möglichkeit hatten, beim Konstruieren ihrer Fahrzeuge Fehler zu machen. Nur so können sie aus ihren Fehlern lernen und haben die Möglichkeit, ihre Fahrzeuge zu optimieren. Im Sinne der Peer-Education war dieser Lernprozess zum Teil auch angeleitet. So erhielten die Schülerinnen und Schüler beispielsweise die Aufgabe, das Energiespeicherfahrzeug eines anderen „Entwicklerteams“ in ihrer Klasse technisch zu analysieren, um ihren Mitschülerinnen und Mitschülern Tipps zur Verbesserung geben zu können.
Ergebnisse „Lehr-/Lernerfolg“
Schülerinnen und Schüler empfinden den Unterricht an ihrer Schule oftmals zu theoretisch – ihnen fehlt die Anschlussfähigkeit an real existierende Probleme. Während des halbjährigen Unterrichtsprojekts war deutlich spürbar, mit welcher Begeisterung Schülerinnen und Schüler bei der Sache sind, wenn theoretische Grundlagen praktisch erfahrbar werden. Erst dann erschließt sich für sie der Sinn und sie erkennen, wie sich technisch-physikalische Grundlagen, wie beispielsweise das Übersetzungsverhältnis bei Zahnrädern, in der Antriebsleistung eines Fahrzeugs real auswirken. Genau in diesem Zusammenspiel und Wechsel aus aufeinander abgestimmten Theorie- und Praxisphasen lag der hohe Lernerfolg dieser Unterrichtseinheit begründet.
Das praktische Anwenden theoretischer Grundlagen fördert darüber hinaus auch die Selbstwirksamkeit der Schülerinnen und Schüler. Vielen ist hier zum ersten Mal wirklich bewusstgeworden, dass sie eine schwierige und herausfordernde Aufgabe aus eigener Kraft lösen können. Mit Fantasie, Vorstellungskraft und technischem Knowhow können sie auf Papier – oder in diesem Fall auf dem Tablet – Dinge planen, die sie dann in die Tat umsetzen und mit einem analytischen Blick auf das Ergebnis weiter verbessern. Genau das verschafft Schülerinnen und Schülern das nötige Selbstvertrauen, das sie brauchen, um in ihrem späteren Alltags- und Berufsleben neue Herausforderungen meistern und mit Freude bewältigen zu können.