

In Deutschland leben Schätzungen zufolge über eine Million sehbehinderte und blinde Menschen. Sie sind in vielen Lebenslagen auf technische Hilfsmittel angewiesen. Auch in der TV-Technologie gibt es immer mehr Bestrebungen, für Menschen mit Einschränkungen Barrieren abzubauen. Wir haben Ali Gürler, der an unserem Digital-Talk zu Inklusion und Barrierefreiheit im Samsung Showcase teilgenommen hat, befragt, wie Technologie sein Leben beeinflusst.
Ali ist 40 Jahre alt, verheiratet und wohnt in Gießen. Er arbeitet als Fachinformatiker im Zentrum für blinde und sehbehinderte Studierende an der Technischen Hochschule Mittelhessen, macht in seiner Freizeit Musik, geht gerne essen und ist für alles zu begeistern, das mit Technik und Computern zu tun hat. Er ist seit seiner Geburt blind.
Welche Hilfsmittel benutzt du, um im Alltag möglichst unabhängig agieren zu können?
Als primäre Hilfsmittel nutze ich den Computer und das Smartphone. Beide Geräte sind mit Software ausgestattet, die sehgeschädigten Menschen den Bildschirminhalt via vollsynthetischer Sprachausgabe oder optional auf einer Braillezeile in Blindenschrift ausgibt. Für das Smartphone gibt es Apps zur Navigation, zum Einkaufen, zur Erkennung von Farben, zum Scannen von Dokumenten und vieles mehr. Gerade elektronische Hilfsmittel haben für blinde Menschen die Teilhabe am Leben meiner Ansicht nach stark revolutioniert.
Wie funktionieren für dich Tätigkeiten wie lesen, telefonieren oder im Internet surfen?
Blinde lernen wie Sehende auch Lesen und Schreiben. Während sehende Menschen in der Schule die „Normalschrift“ bzw. Schwarzschrift lernen, erlernen Blinde die Brailleschrift, im Volksmund eher als Blindenschrift oder Punktschrift bekannt. Diese Schrift wird auf dickeres Papier geprägt und mit den Fingern ertastet. Der Computer oder das Smartphone sind für Blinde mittels eines sogenannten Screenreaders zugänglich, der den Bildschirminhalt entweder über eine vollsynthetische Sprachausgabe oder auf einer Braillezeile ausgibt. Mit dieser Art Software können wir im Internet surfen, Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulationsprogramme bedienen, mailen und jede Menge mehr. Auch neuere Bankautomaten verfügen immer häufiger über eine Sprachausgabe, die aktiviert wird, indem ein Kopfhörer an eine Buchse in der Nähe des Kartenschlitzes angeschlossen wird. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich das Bedienkonzept und der Automat gibt einem Sprachanweisungen. Man kann sich das vorstellen wie ein telefonisches Auskunftssystem: Drücken Sie 1, um dieses zu tun, 2, um jenes zu tun, etc. Eine besondere Herausforderung für blinde Menschen stellen Touchscreens dar, weil sie eine ebene Fläche bilden und sich nicht wie Knöpfe haptisch absetzen. Damit Touchscreens bedient werden können, müssen spezielle Bedienkonzepte implementiert werden, damit Blinde einerseits den Inhalt von Touchscreens lesen und sie andererseits bedienen können.
Wie sieht Fernsehen bei dir aus?
Meistens beschreibt meine Frau mir notwendige Handlungen im jeweiligen Film. Welche Szenen blinden Menschen beschrieben werden müssen, um der Handlung folgen zu können, weiß sie nach jahrelanger Erfahrung ziemlich genau. Sehe ich doch mal alleine fern, bin ich in erster Linie auf Dialoge und Geräusche im Film angewiesen. Die größte Hürde ist für Blinde aber die Bedienung eines modernen Fernsehers an sich. Die Einstellung der Geräte erfolgt heutzutage über ein On-Screen-Menü, das blinde Personen nicht lesen können – alternativ eine auditive Menüführung anzubieten, beginnen jetzt erst Hersteller wie Samsung, die sich verstärkt über Barrierefreiheit Gedanken machen.


Ist die Fernbedienung beim TV eine besondere Herausforderung?
Absolut. Um bei einer herkömmlichen Fernbedienung die Bedienelemente oder Knöpfe zu kennen, müssen Blinde sie zu Beginn mit einem sehenden Menschen erkunden. Hilfreich ist, wenn die Fernbedienung eine logisch nachvollziehbare haptische Struktur hat und trotzdem übersichtlich bleibt.
Nutzt du Bedienhilfen, die Ton und Sprache statt Bild und Schrift zur Steuerung des TV einsetzen?
Bis vor einiger Zeit hatte ich selber noch nicht die Gelegenheit. Auf den neuen Samsung Smart TVs konnte ich jetzt aber den Voice Guide testen, mit dem es u.a. möglich ist, als Sehgeschädigter die Einstellungen am Fernseher ohne die Hilfe einer sehenden Person vorzunehmen, durch die Senderliste zu navigieren und sich bei Bedarf Informationen aus dem EPG vorlesen zu lassen. Ein spezieller Lernmodus ermöglicht das Kennenlernen der Fernbedienung: Man bekommt die einer Taste zugewiesene Funktion via Sprachausgabe mitgeteilt. Diese Art der Bedienung eines Fernsehers für blinde oder sehbehinderte Menschen eröffnet uns überhaupt erst die Möglichkeit, einen modernen TV alleine steuern zu können. Bei den meisten Fernsehern ist auch heute lediglich das Umschalten über die Zifferntastatur oder die Pfeiltasten und die Einstellung der Lautstärke möglich. Im Vergleich dazu ist der Voice Guide für mich ein großer Schritt zur Teilhabe an der digitalen Fernsehwelt.


Online-Panel 'Fernsehen für alle' mit Ali Gürler und anderen