Wie können hörbehinderte Menschen barrierefrei fernsehen?
Ein Gespräch mit Maike Hartwig
Maike Hartwig ist gehörlos zur Welt gekommen. Als sie drei Jahre alt war, wurde sie am rechten Ohr operiert, mit sieben auch auf der linken Seite. Durch Cochlea-Implantate kann sie heute auf beiden Seiten hören, aufgrund der zeitlichen Abstände der Eingriffe allerdings Sprache nur auf der rechten Seite verstehen. Maike ist 25 Jahre alt, studiert Soziale Arbeit in Wiesbaden und arbeitet im Gehörlosen- und Schwerhörigen-Stadtverband Frankfurt am Main. Mit vielen gehörlosen Freunden verständigt sie sich nach wie vor fließend in Gebärdensprache.
Du hast relativ früh deine Cochlea-Implantate bekommen. Hast du noch Erinnerungen an das Leben ohne Gehör?
Bis ich drei war, habe ich komplett ohne Gehör gelebt, daran kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern. Ich weiß aber, wie es ab dem dritten Lebensjahr war, vor dem Fernseher zu sitzen und nichts zu verstehen. Ich habe mir lediglich die Bilder angeschaut und daraus interpretiert, worum es sich handeln könnte. Nach und nach konnte ich immer besser hören, trotzdem konnte ich nur einige Worte und Satzteile aus dem Fernseher erkennen und musste weiterhin die Handlungen aus den Bildern heraus interpretieren. Das führte oft zu Missverständnissen – und das hat mich frustriert, weil es einfach unfair für mich war, dass die anderen alles verstehen können und ich nicht.
Kannst du uns beschreiben, wie deine akustische Wahrnehmung heutzutage ist
Sie hat sich mit dem Alter zunehmend verbessert. Ich kann heutzutage ganze Sätze im Fernsehen korrekt verstehen. Nichtsdestotrotz ist mein Hörvermögen immer noch nicht bei 100 Prozent, daher bin ich stets auch auf Untertitel bzw. Gebärdensprache angewiesen. Wenn Untertitel verfügbar sind, kann ich beim Lesen gleichzeitig zuhören. Für mich ist das eine immense Hilfe, weil ich so tatsächlich das Gesprochene zu 100 Prozent verstehe.
Neben medizinischer Technik kann auch Alltagstechnologie – Smartphones, moderne TVs, Smart Home, verschiedene Online-Services etc. – bei Einschränkungen helfen. Welche Dinge erweisen sich für Hörgeschädigte als besonders hilfreich?
Smartphones sind natürlich für die Gehörlosen unverzichtbar. Für die Kommunikation sind sie eine große Erleichterung, zum einen kann man so einwandfrei in großer Distanz mit anderen Personen in Schriftform oder per Videochat kommunizieren und zum anderen kann man in der Öffentlichkeit das Smartphone als Hilfsmittel anwenden, um mit den Hörenden kommunizieren zu können, indem man eintippt, was man fragen oder sagen möchte. Im Bereich Entertainment sind moderne TVs etc. auch eine Unterstützung, da man gewisse Funktionen wie das Zoomen der Gebärdensprache, Multiple Audio Output, Untertitelung etc. anwenden kann, die uns das Verstehen erleichtern. Besonders hilfreich ist die Funktion, dass Untertitel automatisch angezeigt werden, wenn sie verfügbar sind. Auch eine Smart-Watch kann hilfreich sein, wenn man per Vibration mitgeteilt bekommt, dass man angerufen wird, eine Nachricht erhalten hat oder dass der Wecker klingelt. Oft legt man ja das Smartphone irgendwo ab und als Gehörlose bekommt man die Benachrichtigungen dann nicht mit.
Wie erlebst du heute Filme und Serien?
Oft immer noch mit Frust, weil ich in vielen Fällen das Gesprochene nicht verstehe. Ich verpasse oft die Zusammenhänge und verliere dadurch den Spaß am Fernsehen. Wenn aber Untertitelung angeboten wird, erlebe ich Filme und Serien mit großer Erleichterung! Wenn ich Fernsehen barrierefrei genießen kann, verstehe ich tatsächlich alles und erlebe kaum Missverständnisse. Nur ist es leider nicht immer der Fall, dass Untertitel verfügbar sind.